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22.06.2012
Arztgeflüster
Im April ging es um das Patientengeflüster und heute soll es darum gehen, was Sie als Ärztin oder Arzt so über Ihre Patienten „flüstern“. Warum das Ganze? Wie heißt es so schön: Wie man in den Wald reinruft, so schallt es zurück. Oder salopp und sehr zugespitzt formuliert: Wenn Sie Ihre Patienten für Trottel halten, sollten Sie sich nicht wundern, wenn sie sich Ihnen gegenüber wie Trottel benehmen. Anders herum funktioniert das Ganze natürlich auch. Sie vertrauen Ihren Patienten? Dann werden Ihnen diese sicherlich auch Vertrauen entgegen bringen. Dabei geht es allerdings nicht um Lippenbekenntnisse.
Kommunikationswissenschaftler gehen davon aus, dass nur 20% unserer Kommunikation bewusst und verbal stattfinden, die restlichen 80% aber unbewusst und nonverbal ablaufen und durch unsere bewussten und unbewussten Verhaltensmuster gesteuert sind. Grund genug also, das Unbewusste mal sichtbar zu machen.
Ich möchte mit Ihnen gemeinsam ganz praktisch an die Sache heran gehen. Nehmen Sie sich doch bitte ein Blatt Papier und einen Stift zur Hand und dann vervollständigen Sie so oft Sie können den Satz, der so beginnt:
Meine Patienten sind ………
Sehr gut wäre es, wenn Sie dabei erst einmal jede Bewertung Ihrer Gedanken unterlassen würden. Schreiben Sie einfach frei von der Leber weg all das auf, was Ihnen in den Sinn kommt, wenn Sie an Ihre Patienten denken. Ganz nach dem Motto: Die Gedanken sind frei und Papier ist geduldig! Also, los geht es!
Sollte sich bei Ihnen der Gedanke breitmachen, dass Sie doch so viele unterschiedliche Patienten haben, dass es da keine allgemeinen Aussagen geben kann, dann könnte es sein, dass da ein kleiner Sabotageteufel am Werk ist. Nicht immer ist es nämlich angenehm, sich die eigenen Gedanken bewusst zu machen. Darf ich meine Patienten für dumm halten? Darf ich das Verhalten meiner Patienten überhaupt bewerten? Ich bin doch meinem Hipokratischen Eid verpflichtet! Doch wenn Sie dem kleinen Teufel Einhalt gebieten, indem Sie ihn für kurze Zeit um Ruhe bitten, dann kann Ihnen das neue Sichtweisen eröffnen. Vielleicht probieren Sie es einfach mal aus. Ich mache - etwas abgewandelt - auch mit.
Meine Mandanten sind … Männer und Frauen, zwischen 20 und 80 Jahren alt, freundlich, humorvoll, beratungsresistent, selbstverantwortlich, zuverlässig, zahlungskräftig, lebensfremd, vertrauensvoll, neugierig, unabhängig, ordentlich, interessiert …
Und bevor Sie jetzt auf andere Gedanken kommen: die vorstehenden Beschreibungen sind wirklich nur Beispiele! Jetzt sind Sie aber dran. Was denken Sie über Ihre Patienten?
Wenn Sie Ihre Gedanken gesammelt haben, dann ist es an der Zeit, sie mit etwas Abstand zu betrachten und zu bewerten:
• Was haben Sie für ein Bild von Ihren Patienten?
• Wie verhält sich Ihr typischer „Durchschnittspatient“?
• Gefällt Ihnen das Verhalten Ihres „Durchschnittspatientens“?
Wenn Sie nun zu dem Ergebnis kommen, dass die meisten Ihrer Patienten so sind, wie Sie sie sich wünschen, dann beglückwünsche ich Sie. Sie machen offenbar vieles richtig. Sollten Sie allerdings feststellen, dass Ihre Patienten nicht Ihren Vorstellungen entsprechen und Ihnen Ihre Arbeit auch nicht so viel Spaß macht, wie Sie sich das wünschen, dann könnte die Zeit für
Veränderungen reif sein.
Diese Veränderungen könnten Sie einläuten, indem Sie sich zunächst überlegen, was für Patienten Sie gerne hätten oder was Sie gerne über Ihre Patienten denken würden. Und bevor Sie jetzt protestieren: Ja, Sie haben recht, die Arbeit ist kein Wunschkonzert. Trotzdem können Sie mit dem was Sie denken und tun, Ihr Umfeld beeinflussen und Ihren Alltag verändern. Sie wünschen sich freundliche Patienten? Dann sollten Sie davon ausgehen, dass alle Menschen die zu Ihnen kommen freundlich sind. Und natürlich sollten Sie auch freundlich zu Ihren Patienten sein. Sie wissen schon, wie man in den Wald reinruft … Gleiches gilt natürlich auch für jedes andere gewünschte oder unerwünschte Verhalten.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie grundsätzlich ein positives Bild von Ihren Patienten haben, denn dann haben Ihre Patienten sicherlich auch ein positives Bild von Ihnen.
Ihre
Petra Müller-Lüddecke
Rechtsanwältin. Mediatorin. Coach